Umgekehrter Verkauf


Der Umgekehrte Verkauf  entstand aus einem Überfluss an „Dingen“, welcher nicht mehr als Freiheit, sondern vielmehr als Fesselung an diese Dinge zur Empfindung kam. Der UV wurde verwirklicht im Rahmen mehrerer Kunstaktionen, die an verschiedenen Orten, meist an Flohmärkten in München stattfanden.

1.Spielregel

Wie im gewohnten Verkauf wechselt der Kaufgegenstand seinen Besitzer.

Wie im gewohnten Verkauf wird hierfür ein Preis festgesetzt und bezahlt. Allein die Richtung des Geldflusses kehrt sich um: der Verkäufer zahlt, der Käufer erhält den Kaufpreis.


Gründe für diese Regel:

Es ist dies ein sehr altes Wirtschaftsverhalten; etwa von Eltern ihren Kindern gegenüber.

Beispiel: Das Kind erhält eine Geige - und dazu den Unterricht.

Auf dem Gebiet der Ideen und Sichtweisen gilt Ähnliches: eine neue Idee, will sie angenommen werden, bedarf der Arbeit – Um-, Neu- und Eingewöhnungsarbeit. Wenn sie der Menschheit nützt, macht ihre Bezahlung Sinn.

Gute Ideen sind umgekehrt zu verkaufen!

Dem Umgekehrten Verkauf liegt ein minimalistischer Ansatz zu Grunde: Nichts wird am Wirtschafts-Verhalten geändert, außer der Richtung des Geldflusses - hin zum Käufer.

 (Bildnerische Entsprechung: der Stein, der nicht trägt - hier wird am Mauerwerk nichts verändert, außer dem Ersetzen des Mörtels durch Licht.)Presse_2001.html


Flugblatt zum Umgekehrten Verkauf






Der umgekehrte Verkauf erbrachte eine Reihe von überraschenden Aspekten:


(aus Gesprächsaufzeichnungen)


Der Wert der Dinge ist unabhängig vom Vorzeichen des Preises

Die Umkehrung des Kapitalflusses führt zu überraschenden Ergebnissen: Eines der interessantesten „Fundstücke" der Aktion ist, dass die Dinge ihren Handelswert über den reinen Betrag, nicht aber über das Plus- oder Minus-Vorzeichen vor dem Betrag beziehen, was - buchhalterisch gesehen - nicht logisch ist.

 Handelspsychologisch gesehen aber würde eine Flasche Wein etwa , welche „umgekehrt"für einen Betrag von minus-20 DM verkauft würde, für wertvoller angesehen, als eine andere, welche für „nur" minus-2,--DM etwa ihren Besitzer wechselte. 

Das mag erstaunen - es lässt sich nachprüfen!


Wir besitzen - und besitzen doch nicht. 

Eine Frau erzählte mir, sie würde ihren Kleiderschrank nicht mehr öffnen - er sei voll und übervoll. Sie trage die ganze letzte Zeit immer die gleiche Hose, an ihre Hosen zum Wechseln komme sie nicht - sie seien durch Kleidung verstellt. Das sei kein Witz. 


Freude

Es ereigneten sich Handelsaktionen wie folgende: Eine Frau nahm einen Topf mit, mit einem Deckel und es waren ein paar Blümchen darauf. So einen Topf wollte sie gerne haben. Der Topf war staubig, aber im wesentlichen ok. Bis auf eine kleine Delle; und dann zwei Mark fünfzig. Ich gab ihr das Geld. 

Diese Frau kam nach ein-eineinhalb Stunden wieder vorbei und war so glücklich. „Einen solchen Topf wollte ich schon immer haben; und nun bekomme ich ihn und noch zweiMarkfünfzig hinzu. - So ein Glück!!“


Die Dinge kosten

„Die Dinge kosten.“ - sagte ein dicker, umgänglicher Kunde - „jedes Ding nimmt Platz weg. Das kostet monatlich Miete.“

„Na, soviel kann das nicht sein,“ meinte ich, „vielleicht ein Schrank voll, 1 qm vielleicht.“

„Ein Drittel der Wohnung etwa;“ entgegnete der dicke Kunde.

„Meinen Sie das im Ernst?" fragte ich. „Wieviel Wohnraum haben Sie?"

"90 qm.“

„Und sie können auf 30 qm verzichten?“

 - nach einigem Überlegen: "Ja,“ sagte er, „30 qm sind von Dingen belegt, die ich nicht mehr sehe; ich habe mich an sie gewöhnt; ich kann sie nicht fort werfen, weil sie einen Wert haben. Aber ich benutze sie nicht, brauche sie nicht. Sie nehmen Platz in der Wohnung - und im Kopf."

„Wir haben hier einiges an Reserven!"

In der Industrie werden Lagerhaltungskosten längst als Kostenfaktor gerechnet. Und im Privaten?

Manche Leute geben Geld aus, um zu entrümpeln. Für Deponiegebühren... Kühlschrank entsorgen für fünfzig Mark - ...


Die Aktion begünstigt direkte Begegnung - die Überschreitung des Nullpunkts

Handel ist eine Sache ständiger Spannung. - Gegenstand und Entgelt unterliegen im Austausch einem ständigen Spannungsverhältnis. Das lässt den Geist kaum frei; wie kann man sich da direkt begegnen?

Eine Hose für 200,-- bekäme man für 170,-- relativ günstig.

Die gleiche Hose im Second-Hand-Shop würde man vielleicht von 30,-- auf 20,-- herunter handeln können -

auf dem Flohmarkt von vielleicht 5,-- auf 3,--.

Der Preis bleibt relativ, nicht aber der Handel als solcher. Warum?

Für eine 200,--DM-Hose noch einmal sieben Mark etwa nach zu lassen wäre relativ unbedeutend. Warum aber geschieht dies nicht bei unserer Flohmarkt-Hose? Es ergäbe dies einen Betrag von DM Minus 4,--. 

Warum wird nie der Nullpunkt überschritten?  Warum wird die Handelsspannung nicht aufgegeben? Warum gewährt man den Preis nicht als Zuwendung?


„ ... und DADA erlaubte Laokoon nach bald zweitausend Jahre anhaltendem Kampf mit der Schlange, endlich einmal aus zu treten...“

Hans Arp


Die Aktion will ein solches Austreten ermöglichen. Das ist eine konkrete Lösung, ein unmittelbares Geschehen, das vor Ort erlebt werden kann. 


Ein neues Wirtschaftssystem?

Ein verstopftes Waschbecken wird vom Rohrreiniger mit einer Ansaugpumpe frei gepumpt. Kein Mensch käme auf die Idee, den Rohrreiniger zu fragen, ob der Abfluss fortan immer rückwärts zu nutzen wäre. Man ist froh über die umgekehrte, den Abfluss befreiende Richtung der Saugpumpe.

Der umgekehrte Verkauf ist der Rohrreiniger des Handels.



Konventioneller Erklärungsversuch für nüchterne Ökonomen.

Ein Lehrerstundensatz liegt bei fünfundvierzig Mark.

Konventionell auf dem Flohmarkt sind vierzehn Stunden zum Verkauf zu veranschlagen - 2 Tage mit je 7 Stunden. Umgekehrter Flohmarkt verläuft flüssiger - einmal 3 Stunden -  die Differenz sind elf Stunden - sind vierhundertfünfundneunzig Mark. Bei hundertzwanzig Mark Ausgaben und ebenso viel entgangenen Einnahmen Ergibt sich ein Plus von DM 255,--. Die Aktion fußt auf einer soliden ökonomischen Basis.

Natürlich bleiben bei dieser Rechnung Sozial- und Freizeit-Faktoren unberücksichtigt.


Zwei Sanduhren

„Vor zehn Jahren wurde in der Galerie Tanit ein Kunstwerk von Reinhard Blume ausgestellt - zwei Sanduhren. Eine war mit Goldsand komplett bis obenhin gefüllt.  die andere vollständig leer - beide somit nutzlos. 


Wir geben von unserem Überfluss her und nehmen Leere ein - beides sind Werte.

Sie gehören ausgetauscht.





Andreas Wiehl, Breisacherstr. 24, 81667 MÜNCHEN, T/F 089 - 398546   oder 0163 - 7625577