Schüler malen mit jugendlichen Strafgefangenen in der JVA

FOS Ingolstadt 1999

Münchner-Morgen-Magazin  (BR II) - Geseko v. Lüpke am 22. 6. 99

„Kunst ist Begegnung - Schüler malen mit jugendlichen Strafgefangenen“



SPRECHER

(...) die Bilder dieser Ausstellung haben eine ganz eigene Geschichte. Sie sind das Werk einer Begegnung zwischen jugendlichen Strafgefangenen und Fachoberschülern, (...).


ZUSPIELUNG

Man mußte nicht miteinander sprechen, man hat gemalt. Das waren zehn Gefangene und zehn Schüler. Die einen malen intensiver, die andern schauen zu.  - ein Schüler schaut zu, ein Gefangener schaut zu. Sie kommen ins Gespräch; sie merken, dass das stört im Raum, sie gehen raus, sie sprechen vor der Türe weiter. In dem Moment ist das Gespräch im Gang. Das Malen war für die Gespräche buchstäblich ein Katalysator  - und das Malen war der Wert, der zum Schluß geschaffen wurde (...).



SPRECHER

Wer an einem Knast vorbeifährt, für den sind die Insassen draußen, außerhalb der Gesellschaft. Wer von Drinnen in die Freiheit blickt, für den sind die Andern draußen, in der  Freiheit. Doch die Mauern trennen, jeder hat Angst vor dem Anderen. Mauern, ob sichtbar oder un-sichtbar, verhindern Begegnung, Verständnis, Solidarität, Integration.

Kunst ist für Andreas Wiehl ein Weg Mauern zu überwinden.

Mit seinen Schülern verläßt er die schützende Haut der Schulmauern, geht auf die Suche nach anderen Mauern und tritt ein in unbekannte Welten. Immer mit dem Pinsel in der Hand.


ZUSPIELUNG

Die Schüler kennen die Leute nicht, sie wissen davon, aber sie wissen überhaupt nicht, was hinter den Mauern los ist. Asylmauern, Mauern, die „Normale“ von Behinderten trennen oder eben auch Gefängnismauern. In dem Moment, wo sie rübergehen und haben was in der Hand und



können was zeigen - dann ist die Scheu weg. Es ist eine enorme Neugier da. Das haben die Schüler immer wieder gesagt. Sie wollten wieder in den Knast, was nicht möglich war. (...) Ich bin kein Sozialarbeiter; es geht mir wirklich um Kunst, dass da Bilder entstehen. In dem Moment, wo so etwas gearbeitet wird, geschieht auch etwas, was sozial wirksam wird. Das brauche ich aber nicht zu wollen; das geschieht von allein.


SPRECHER

Hier ist Kunst nicht geheimnisvoll, verschlüsselt, abstrakt. Da wird Kunst zur Begegnung und Begegnung zur Kunst. Statt in der Schule über Randgruppen zu reden und die harte Wirklichkeit auf Distanz zu halten, hat der Kunstlehrer Andreas Wiehl den Versuch gemacht, seine Schüler vom Leben selbst lernen zu lassen. Da wurden Asyl- und Behindertenheime zu Schulräumen, wo in unbekannten Räumen wirklich was Neues gelernt wurde. (...) Andreas Wiehl:




ZUSPIELUNG

Das ist für mich besonders interessant, dass die Schule im Grunde im eigenen Raum ihre Arbeiten macht und über diesen Raum normalerweise nicht hinausgeht; die darin ihre Effektivität erreicht, aber daran leidet - so eine Art Glasglocke, in der sie sich befindet. Mit denen dann raus zu gehen und auf Randgruppen zu stoßen - das schafft völlig neue Bedingungen.

Als Modellcharakter das nach außen zu tragen, scheue ich mich. Natürlich würde ich mich freuen, wenn so etwas geschieht. Natürlich finde ich es wichtig, dass man auf diese Weise aus diesem ziemlich eng gefassten Rahmen von Schule heraustritt, - aber das muss ich niemand anderem „auf´s Auge drücken“. Mir macht es Spaß, wenn ich so arbeite.

Nur einem Lehrplan folgend wüsste ich nicht, ob mich das an der Schule halten könnte.


(...)

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